„Business-Sprache“ der Antike

© Lianna Hecht, Archäologisches Museum Uni MS

So wie wir heute im Ausland häufig zu Englisch als Verkehrssprache greifen, nutzte man in der Antike die Sprache Aramäisch, um sich zwischen den assyrischen, babylonischen und persischen Großreichen zu verständigen. Der Vorteil: Die Schrift war erheblich leichter zu schreiben als Hieroglyphen oder Keilschrift. Mit ihren wenigen Zeichen, die sich mit Tinte leicht auf viele Materialien schreiben lassen, wurde sie immer beliebter.
Die Altorientalistik, das Fach, das sich mit der Sprache und Kultur des Alten Orient befasst, zeigt in der Ausstellung „Kleine Fächer – Große Potenziale“ zwei aramäische Urkunden.

Kopie einer Keilschrifturkunde mit aramäischer Beischrift
Kopie einer Keilschrifturkunde mit aramäischer Beischrift
© Lianna Hecht

In der Geschichte des Alten Orients gibt es viele Beispiele für Sprachkontakte und Mehrsprachigkeit: In vielen Keilschrifttexten finden wir Personennamen unterschiedlicher Herkunft, die belegen, dass Menschen mit verschiedenen Sprachen zusammenlebten. Mehrsprachig war man in Wissenschaft und Religion. Dort wurde die alte Sprache Sumerisch auch dann noch weiterverwendet, als sie im Alltag längst ausgestorben war und man untereinander Akkadisch sprach. Im 14. Jahrhundert v. Chr. diente wiederum das Akkadische in der internationalen Diplomatie für den Briefwechsel verschiedener Herrscher mit dem ägyptischen Pharao.

Im ersten Jahrtausend v. Chr. verbreitete sich zunehmend das Aramäische im Vorderen Orient. Im Neuassyrischen Reich (10.–7. Jahrhundert v. Chr.) schrieb man zwar mehrheitlich noch Akkadisch, die assyrische Staatskanzlei operierte aber schon zweisprachig. Unter der Herrschaft der persischen Achämeniden im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr. wurde das Aramäische mit seiner leichter erlernbaren Alphabetschrift dann die offizielle Verwaltungssprache. Da im achämenidischen Reich insgesamt über zehn verschiedene Sprachen gesprochen wurden, nutzte auch die Bevölkerung die Zweitsprache Aramäisch zur Verständigung.

Die beiden ausgestellten Texte illustrieren diesen Sprachwandel und die überregionale Vernetzung vor 2600 Jahren. Sie stammen von einem Fundort in Ostsyrien, auf halbem Weg zwischen den jüngst durch den „Islamischen Staat“ besetzt gehaltenen Städten Raqqa und Mossul.

Das eine Objekt ist ein gesiegeltes Stück Ton, das einen Knoten einer Schnur umschloss. Diese hielt ein größeres Schriftdokument zusammen, dessen Hauptinhalte die eingeritzte aramäische Inschrift wiederholt. In diesem Fall handelt es sich um eine durch sechs Personen bezeugte Schuld von ca. 64 g Silber.

Das zweite Objekt dokumentiert einen Landkauf und datiert in die Zeit kurz nach dem Ende des Neuassyrischen Reiches, um 600 v. Chr. Trotz dieser politischen Veränderung bezeugt die Tontafel eine bleibende Mischung kultureller Einflüsse: Die Keilschriftzeichen und Textform der Urkunde sind assyrisch, die Datumsangabe dagegen folgt dem Prinzip der Babylonier, die das assyrische Reich eroberten. Zudem ist über die Siegelabrollung eine kurze aramäische Zusammenfassung geritzt. Interessanterweise tragen einige der im Text genannten Personen hebräische Namen.

  Beitrag der Altorientalistik in der  Ausstellung "Kleine Fächer - Große Potenziale",
Themenfeld Kommunikation, im Archäologischen Museum der WWU.