34. Münsterisches Tagesgespräch: "Unternehmensbewertung heute und morgen - Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven"

Der Münsteraner Gesprächskreis Rechnungslegung und Prüfung e. V. (MGK) lud am 22. Juni 2022 zum 34. Münsterischen Tagesgespräch in das Mövenpick Hotel in Münster ein. Nachdem das Tagesgespräch zwei Jahre pandemiebedingt verschoben werden musste, freuten sich sowohl die Teilnehmer als auch die Veranstalter umso mehr darauf, sich in Präsenz wieder über aktuelle Themen austauschen und diskutieren zu können. Die diesjährige Tagung stand unter dem Thema „Unternehmensbewertung heute und morgen – Aktuelle Herausforderungen und Perspektiven“ und wurde von Prof. Jörg Baetge und Prof. Hans-Jürgen Kirsch veranstaltet.

Besuch des Kunstmuseums Pablo Picasso

Am Vortag trafen sich bereits einige der insgesamt fast 100 Teilnehmer zum traditionellen Begrüßungsabend in dem Münsteraner Kunstmuseum Pablo Picasso. Gemeinsam wurden sie durch die Ausstellungen „Andy Warhol“ und „Kunst nach Kunst – Picassos Variationen nach Alten Meistern“ geführt. Beim anschließenden Abendessen im Alten Gasthaus Leve konnten sich die Teilnehmer über die Impressionen aus der Ausstellung austauschen und sich in gemütlicher Atmosphäre auf das 34. Münsterische Tagesgespräch einstimmen.

Vorträge zu unterschiedlichen Bewertungssituationen und lebhafte Diskussionen

Herr Prof. Kirsch begrüßte die Teilnehmer des Tagesgespräches und eröffnete das 34. Münsterische Tagesgespräch. Fünf Fachreferenten aus der Praxis berichteten in diesem Jahr über unterschiedliche Bereiche und Entwicklungen der Unternehmensbewertung und stellten sich in zwei Diskussionsrunden den kritischen Fragen der Zuhörer.

Als erster Referent stellte Herr WP/StB Prof. Dr. Martin Jonas, Partner und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats der Grant Thornton AG WPG, Honorarprofessor an der Universität zu Köln und Mitglied des Fachausschusses für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft des IDW (FAUB), ausgesprochen innovative Aspekte zur „Fortentwicklung des IDW S 1“ vor. In seinem Vortrag fokussierte er sich auf die Herausforderung, den Wert von Synergiepotenzialen, die grundsätzlich als subjektive Werte zu verstehen sind, objektiviert zu ermitteln. Anhand diverser Beispiele zeigte Herr Prof. Jonas, wie eine solche Objektivierung künftig im IDW S 1 adressiert werden könnte.

Im Anschluss sprach Herr Dr. Michael Siefke, Managing Director bei Bain Capital, wo er unter anderem das Europageschäft mitverantwortet, über die „Unternehmensbewertung bei einem Private Equity Investor“. Nach einem kurzen Überblick zu der Branche und dem typischen Ablauf eines Unternehmenskaufes, fokussierte er seinen Vortrag auf die Bewertung eines Zielunternehmens durch einen Private Equity Investor.

Um weitere Aspekte der Unternehmensbewertung aufzugreifen, referierte Frau WP/StB Susann Ihlau, Partnerin bei der Mazars GmbH & Co. KG WPG und ebenfalls Mitglied des FAUB, über die Praxis der „Bewertung von KMU“. Hierfür spezifizierte Frau Ihlau zunächst die besonderen Bewertungsaspekte bei KMU. So gestaltet sich die Abgrenzung des Bewertungsobjektes regelmäßig schwierig, die Informationsquellen sind oft unzureichend, die übertragbare Ertragskraft ist eingeschränkt und die Finanzierungsmöglichkeiten sind begrenzt. Anhand verschiedener Beispiele zeigte sie, wie diesen Herausforderungen in der Praxis begegnet werden kann.

In der folgenden Diskussionsrunde wurden die Vorträge der Referenten aufgegriffen und kritisch beleuchtet. So diskutierte das Plenum vor allem die Bestrebung des FAUB an der Bewertung mittels Zukunftserfolgsverfahren festzuhalten, wo doch die Vertreter aus dem Private Equity- sowie aus dem M&A-Bereich von einer Dominanz des Multiplikatorverfahrens berichteten. Auch beim anschließenden gemeinsamen Mittagessen wurden die Diskussionen fortgeführt. Am reichhaltigen Buffet bestand neben der Fachsimpelei auch die Möglichkeit, neue Kontakte zu knüpfen und alte Bekanntschaften wieder aufleben zu lassen.

Nachdem sich die Teilnehmer gestärkt hatten, eröffnete Herr WP/StB/RA Wolf A. Tönnes, der über 20 Jahre als geschäftsführender Partner der HLB Schumacher GmbH WPG tätig war, die zweite Hälfte des Tagesgesprächs. Seinen Vortrag über die „Bewertung von Start-Up-Unternehmen“ begann er mit einem Überblick über die Start-Up-Szene, ehe er auf die Herausforderungen bei der Bewertung von Start-Ups einging. Problematisch ist vor allem, dass historische Daten in der Regel nicht verfügbar sind, Business-Pläne oft auf optimistischen Annahmen beruhen und der Unternehmenswert hauptsächlich durch Humankapital und immaterielle Werte begründet wird. Als möglichen Lösungsweg stellte Herr Tönnes anhand eines Beispiels die Venture-Capital-Methode sowie weitere Bewertungsmethoden vor und verdeutlichte dabei, dass es keinen idealtypischen Ansatz zur Bewertung eines Start-Up-Unternehmens gibt.

Als letzter Referent des Tages berichtete Herr RA Bernd Kuckenburg, vereidigter Buchprüfer und Fachanwalt für Familien- und Steuerrecht sowie Mitherausgeber der Fachzeitschrift Familie und Recht (FuR), über die „familienrechtliche Unternehmensbewertung“.  Er erläuterte die durch das Urteil BGH FamRZ 2011, 622 und 1367 begründete modifizierte Ertragswertmethode. Herr Kuckenburg verdeutlichte hierbei, dass bei Anwendung dieser Methode ein Verstoß gegen das Stichtagsprinzip vorliegt.

In einer abschließenden Diskussionsrunde hatten die Teilnehmer erneut die Möglichkeit, Fragen an die Referenten zu adressieren, ehe Prof. Kirsch zum Abschluss des Tagesgesprächs im Schlusswort zufrieden auf den Tagesverlauf zurückblickte. Er bedankte sich herzlich bei den Referenten, den Teilnehmern sowie den Organisatoren der Tagung.

Bei einem anschließenden Get Together im Foyer bestand für die Teilnehmer der Tagung die Möglichkeit, in lockerer Atmosphäre das Tagesgespräch Revue passieren zu lassen. Es wurde deutlich, dass die Unternehmensbewertung viele verschiedene Facetten hat und das Tagesgespräch ein geeigneter Rahmen ist, um den Gedankenaustausch zwischen Theorie und Praxis zu fördern.